Notfall Durchsuchung: Verhaltensempfehlungen bei einer Durchsuchung

Eine Durchsuchung ist grundsätzlich ein unangekündigter "Besuch" durch eine Behörde zur Sicherstellung und Beschlagnahme von Beweisen (Dokumente, Akten, Gegenstände, elektronische Daten). Denkbar ist auch eine sogenannte Ergreifungsdurchsuchung, wenn nach einem Verdächtigen gesucht wird.

Da Wohnungsdurchsuchungen und Unternehmensdurchsuchungen meist frühmorgens stattfinden, werden sie auch "Dawn Raids" genannt. Dadurch soll ein Überraschungseffekt beim Betroffenen erzielt werden.

Gerade die Wohnungsdurchsuchung ist ein erheblicher Eingriff in das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Grundgesetz). Kaum eine Maßnahme dringt tiefer in die Privat- und Intimsphäre ein als eine Durchsuchung der Räume, in denen ein Mensch wohnt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist daher bei Durchsuchungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besonders zu beachten. Trotzdem lässt die Strafprozessordnung die Durchsuchung bei jedem Tatverdacht und Delikt zu. Die rechtlichen Hürden für eine Durchsuchung sind also nicht sonderlich hoch. Das ist ein deutlicher Unterschied zum Beispiel zur Untersuchungshaft, für die es eines dringenden Tatverdachts bedarf, oder zur Telekommunikationsüberwachung (TKÜ), die nur zulässig ist, wenn sich der Tatverdacht auf ein Delikt aus einem bestimmten Katalog besonders schwerer Straftaten bezieht.

Die 5 Goldenen Regeln einer Durchsuchung

1. Ruhe bewahren

Sobald die Beamten eintreffen, ist es entscheidend, Ruhe zu bewahren. Bleiben Sie höflich und sachlich. Stellen Sie sich persönlich vor, aber machen Sie keine Angaben zur Sache. Eine einmal begonnene Durchsuchung lässt sich nur selten verhindern. Daher ist Deeskalation geboten – und keine weitere Eskalation.

Bitten Sie die Ermittler nach ihrer Ankunft, ihre Dienstausweise vorzuzeigen und während der Durchsuchung zu tragen. Notieren Sie sich die Daten des Einsatzleiters als Ansprechpartner. Sollten sich die Beamten weigern, ihre Dienstausweise zu zeigen oder zu tragen – was unter Umständen vorkommen kann –, bleiben Sie dennoch ruhig und freundlich.

Das Leisten von Widerstand und das Behindern der Durchsuchung sind zu unterlassen – beides kann unter Umständen sogar strafbar sein (§ 113 StGB: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) Dasselbe gilt für verdächtiges Verhalten wie das Vernichten oder Verstecken von möglichen Beweisen (§ 258 StGB: Strafvereitelung).

Umgekehrt sollten Sie auch nicht auf "Tricks" der oft erfahrenen Polizeibeamten hereinfallen. Lassen Sie sich nicht durch vermeintlich freundliche und verständnisvolle Fragen der Ermittler zu Angaben zur Sache und zum Tatvorwurf verleiten. Einmal getätigte Aussagen lassen sich später nur schwer rückgängig machen. Verweisen Sie auf Ihr Recht, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Sind Sie Beschuldigter, haben Sie stets das Recht zu schweigen.

2. Rechtsanwalt kontaktieren

Egal ob Ihre Wohnung durchsucht wird oder Ihr Unternehmen, Sie sollten umgehend einen externen Rechtsanwalt kontaktieren. Informieren Sie die Beamten nach ihrer Ankunft, dass Sie mich als Ihren Rechtsanwalt kontaktieren, damit ich die Durchsuchung begleiten kann. Sie haben jederzeit das Recht, einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen.

Bitten Sie die Beamten höflich, mit der Durchsuchung zu warten, bis Ihr Strafverteidiger eingetroffen ist. Die Ermittler sind nicht verpflichtet, auf das Eintreffen des Rechtsanwalts zu warten. Oft erklären sich die Beamten aber einverstanden, 15 bis 30 Minuten zu warten. Wenn Sie mich anrufen, spreche ich gerne bereits telefonisch für Sie mit den Ermittlungsbeamten.

Sollte Ihr Unternehmen durchsucht werden, können Sie den Ermittlern anbieten, ein (möglichst leeres) Besprechungszimmer als Rückzugsort zu nutzen. Das hat den Vorteil, dass ich nach meinem Eintreffen mit den Beamten in einem Erstgespräch den Umfang der Durchsuchung besprechen kann.

In vielen Fällen kann die Durchsuchung durch die Abstimmung zwischen dem Verteidiger und den Ermittlern beschleunigt werden. Das hat zum Beispiel bei einer Unternehmensdurchsuchung oft die positive Folge, dass der Betriebsablauf ohne Einschränkungen weiterlaufen und der Schaden begrenzt werden kann.

Auch lassen sich so mögliche Zufallsfunde vermeiden. Zufallsfunde sind Sachen, die auf eine andere Straftat als jene hindeuten, derentwegen der Durchsuchungsbeschluss erlassen worden ist.

3. Durchsuchungsbeschluss prüfen

Im Durchsuchungsbeschluss müssen die zu durchsuchenden Objekte und Räume genau bezeichnet sein. Nach spätestens sechs Monaten wird ein Durchsuchungsbeschluss unwirksam. Das steht nicht im Gesetz, sondern ist Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Bei Durchsuchungen ohne wirksamen Durchsuchungsbeschluss bleiben gefundene Beweise aber in der Regel verwertbar. Die Ausnahmen sind willkürliche Handlungen, das heißt vor allem bewusste Verstöße gegen Verfahrensvorschriften. Lassen Sie sich gleich zu Beginn den Durchsuchungsbeschluss geben, um ihn zu kopieren, und leiten Sie eine Kopie des Durchsuchungsbeschlusses an mich weiter. So kann ich bereits auf dem Weg zu Ihnen die Rechtslage prüfen.

4. Begleiten und dokumentieren

Hat die Durchsuchung einmal begonnen, sollten Sie die Ermittler niemals unbeaufsichtigt lassen. Ohne die Ermittler an ihrer Arbeit zu hindern, sollten Sie – besser: Ihr Rechtsanwalt – die Beamten wie einen "Schatten" begleiten. Bleiben Sie dabei wie immer höflich und passiv. So stellen Sie sicher, dass die Ermittlungsbeamten nur die Räume durchsuchen, die im Durchsuchungsbeschluss genannt sind.

Das ständige Begleiten hat oft den Vorteil, dass die Durchsuchung in Abstimmung mit den Ermittlern abgekürzt werden kann. So können Sie sich insoweit kooperativ zeigen und die im Durchsuchungsbeschluss genannten Gegenstände herausgeben, um die Intensität der Durchsuchung zu mindern und die Arbeitsfähigkeit Ihres Unternehmens aufrechtzuerhalten. Achten Sie aber darauf, keine Informationen ungefragt preiszugeben. Daneben sollten Sie und Ihr Rechtsbeistand den Durchsuchungsablauf genau und vollständig dokumentieren. Fertigen Sie – in Abstimmung mit den Ermittlern – Kopien und Fotografien an und protokollieren Sie etwaige Meinungsverschiedenheiten.

5. Rechte sichern

Eine erfolgversprechende Verteidigung gegen die Durchsuchung ist meistens erst nach ihrem Ende möglich. Damit rechtliche Fehler bei der Durchsuchung nachträglich durch eine Beschwerde geltend gemacht werden können, sollten Sie sich nicht ausdrücklich mit der Durchsuchung einverstanden erklären – jedoch ohne aktiven Widerstand zu leisten (siehe oben).

Werden Sie am Ende der Durchsuchung aufgefordert, eine Unterschrift zu leisten, können Sie diese verweigern und einer Beschlagnahme widersprechen. Achten Sie darauf, dass Ihr förmlicher Widerspruch von den Ermittlern protokolliert wird. Bin ich bei der Durchsuchung anwesend, werde ich die Ermittler darauf hinweisen.

Bestehen Sie darauf, dass Ihnen eine Bestätigung gegeben wird, dass die Durchsuchung abgeschlossen ist. Lassen Sie sich eine Durchsuchungsniederschrift aushändigen sowie eine Liste aller kopierten, beschlagnahmten oder versiegelten Dokumente und Beweismittel ("Sicherstellungsverzeichnis").

Gerade wenn Zweifel bestehen, ob bestimmte Dokumente, Gegenstände oder Daten vom Umfang der Durchsuchung umfasst sind, sollten Sie – besser: Ihr Rechtsanwalt – ihre Versiegelung beantragen. Das betrifft zum Beispiel private Dokumente und Daten oder Unterlagen, die unter das Anwaltsgeheimnis fallen ("Attorney-Client-Privilege"). Wenn Sie später Rechtsmittel gegen die Durchsuchung einlegen wollen, hat das den Vorteil, dass die Ermittler vor einer Auswertung der versiegelten Beweise erst eine richterliche Entscheidung abwarten müssen.

Umgekehrt sollten Sie die Versiegelung zum Beispiel durch Fotos genau dokumentieren. Lassen Sie die amtlichen Siegel nicht unbeaufsichtigt und achten Sie darauf, dass die Siegel nicht beschädigt oder entfernt werden. Siegelbruch ist strafbar gemäß § 136 Absatz 2 StGB.

Typische Behörden bei Durchsuchungen

In den meisten Fällen erfolgt die Durchsuchung unter Leitung der zuständigen Staatsanwaltschaft durch die sogenannten Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft – also überwiegend durch die Polizei. In Wirtschaftsstrafverfahren und Steuerstrafverfahren können auch der Zoll, die Steuerfahndung oder das Bundeskartellamt eine Durchsuchung durchführen. Im Einzelfall ist auch die EU-Kommission zur Durchsuchung befugt.

Grundsätzlich ist eine Durchsuchung gemäß § 105 StPO von einem Richter anzuordnen (sogenannter Richtervorbehalt). Bei Gefahr im Verzug sind aber auch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen hierzu befugt. Da das Gesetz für Durchsuchungsbeschlüsse keine bestimmte Form vorschreibt, dürfen sie im Einzelfall auch mündlich ergehen oder selbst während der Durchsuchung erweitert werden. Das ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den Akten zu vermerken.

Rechte der Ermittler

Papierakten und elektronische Daten, die die Ermittler bei der Durchsuchung finden, dürfen durchgesehen werden. Gehören sie dem von der Durchsuchung Betroffenen, sind dazu die durchsuchenden Beamten befugt (sofern ihnen dies die Staatsanwaltschaft aufgetragen hat – was üblich ist). Gehören die Papiere oder Speichermedien einem Dritten, muss er einer Durchsicht der Beamten zustimmen. Tut er das nicht, haben die Beamten die Dokumente an die Staatsanwaltschaft in einem versiegelten Umschlag abzuliefern.

Finden die Ermittler bei der Durchsuchung Gegenstände, die als Beweismittel in Betracht kommen, können die Beamten die Gegenstände sicherstellen. Eine Beschlagnahme ist möglich, wenn die Gegenstände nicht freiwillig herausgegeben werden. Zur Durchsuchung darf, so erforderlich, auch Zwang angewendet werden, ohne dass es hierzu einer besonderen Ermächtigung bedarf. Der Durchsuchungsbeschluss berechtigt zum Beispiel dazu, eine Tür oder einen Aktenschrank aufzubrechen, wenn der Betroffene sich weigert, sie zu öffnen oder nicht anwesend ist.

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